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Nachfolgend ein paar Impressionen zum Jubiläum „60 Jahre Hilfskomitee für die deutsche Evangelische Landeskirche aus dem ehemaligen Jugoslawien e. V.“ am Sonntag, 2. Juli 2006 - Fotos von Walter Köhl
Mit 60 in die Jahre gekommen, so meint man, wenn man das Lebensalter eines Menschen abschätzt, ist man vielleicht schon etwas müde geworden.
60 Jahre Hilfskomitee, das über die Jahre hinweg seine schwierigen Aufgaben des Anfangs bewältigt hat, das sich neue gestellt und zu neuen Aufgaben gerufen wurde, es darf noch nicht müde werden. Deshalb war es wichtig, dieses 60. Jubiläums und seiner Anfänge zu gedenken.
Mit einem Festgottesdienst in der wunderschönen Marienkirche in Reutlingen begann dieser Tag und er meinte es gut, denn die Morgensonne beleuchtete die mittelalterlichen Bleiverglasungen mit ihren wunderschönen Farben. Frau Pfarrerin Sabine Großhennig und Prälaturpfarrer Manfred Wagner gestalteten den Gottesdienst.
In der Fürbitte, die von Pfr. Wagner, Helmut Hild, Herbert Schön und Hildegard Gutekunst gesprochen wurde, hieß es u. a.:
„Lass in uns den Willen und die Tat zur Versöhnung und zum Neuanfang wachsen, Lass uns zu Boten des Friedens für die Menschen werden, die jetzt in den Häusern der alten Heimat leben. Herr, wir bitten dich, lass die Bemühungen des Hilfskomitees um Dialog, Frieden und Versöhnung gelingen zu deinem Lob und zum Lob der Menschen in unserem Land und im ehemaligen Jugoslawien, Wir bitten dich für alle Menschen, die sich an anderen Orten dieser Erde mühen um Frieden und Versöhnung.“ Auf Wunsch des Vorstandes des Hilfskomitees sollten die alten Kirchenlieder, die zu Hause gesungen wurden, auch im Gottesdienst gesungen werden. „Ein feste Burg,“ das alte Lutherlied erklang hier ebenso. Diakon Curkovic von der orthodoxen Kirche in Stuttgart sprach ein bemerkenswertes Grußwort. Zur großen Freude der Gottesdienstbesucher und der Passanten spielten die Posaunenbläser noch vor der Marienkirche.

von links: Boris Smrekar, Ehepaar Corkovic, Hildegard Gutekunst -
Foto: Heinrich Stephan
Der anschließende Empfang fand in einem schönen, großen und hellen Raum der Bruderhausdiakonie statt, zu dem jeder geladen war, der sich angesprochen fühlte.
Nach dem Mittagessen, geliefert von der Bruderhaus-Küche, ging es mit der Rüstzeit weiter, und Dr. Mathias Beer vom Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen hielt den Festvortrag „Suche meine Familien“. Er berichtete von den allerersten Anfängen, von den Aufgaben und zitierte aus Briefen und Dokumenten, die die Probleme schilderten, die Menschen damals bewegten und heute noch berühren.
Wer erinnert sich denn noch der Zeit, als man nicht wusste, wo die Familienangehörigen hingekommen sind, ob sie geflüchtet waren, ob sie die schlimmste der Möglichkeiten, gar auf der Flucht umgekommen sein konnten. Der Möglichkeiten gab es viele und die Ungewissheit war groß und bedrückend. Dazu kam die äußere Bedrängnis. Es gab keine Wohnungen, es gab wenig zu essen, es gab freundliche, aber auch weniger freundliche Menschen, die aus der Angst heraus, dass sie nun auch noch das Wenige teilen mussten, nicht immer gut auf diese Flüchtlinge zu sprechen waren. Es war ein Glück, dass sich Männer wie Heinrich Lebherz, Franz Hamm und andere zusammenfanden und erkannten, dass Hilfe geboten war. Die Evangelische Kirche in Deutschland leistete hier große Hilfestellung, sonst wäre Hilfe in diesem Umfang nicht möglich gewesen.
Zum Glück sind die Unterlagen des Hilfskomitees aufgehoben worden, und sie werden in Tübingen, wo sie dokumentiert wurden, bereits u. a. zu Forschungsarbeiten und zu Dissertationen verwendet. Sicher hätten sich dies die Männer der ersten Stunde nie träumen lassen. Das Fazit, das Dr. Beer zog, war, dass das Hilfskomitee als allererste Organisation der Donauschwaben sich all diesen Aufgaben gewidmet hat. Er lud ein, nach Tübingen zu kommen und sich im Institut umzusehen, um vor Ort einen Einblick in diese Arbeit zu bekommen. Gefragt, welche Zukunft es haben könne, meinte er, dass das Hilfskomitee sich diese bereits gesucht habe, in dem es sich einem Thema zugewandt hat, das auch einen Anfang beinhalte, nämlich den Dialog zu Frieden und Versöhnung.

von li nach re: Herbert Schön, Angela u. Luka Ilic,
Hildegard Gutekunst
Herbert Schön berichtete von den Projekten, die das Hilfskomitee gerade betreut, vor allen Dingen das wichtige Projekt der deutschsprachigen Kindergärten in der Wojwodina, sowie das Projekt einer Werkstatteinrichtung zur Ausbildung und Qualifizierung von Installateuren. Ein Anliegen ist dem Hilfskomitee der Jugendaustausch und so war es eine Freude, dass just am Sonntag, 2. Juli der neue Austauschschüler aus Tscherwenka, Boris Smrekar, angekommen war. Er wird die nächsten 4 Wochen bei Familie Gleich in Waiblingen verbringen und dort mit Tersja ins Gymnasium gehen. Sein Großvater macht in Tscherwenka die Verteilung der Humanitären Hilfe von Robert Lahr und spricht immer noch ein sehr gutes Deutsch.

Luka und Angela Ilic berichteten, veranschaulicht durch Dias, von der Situation in Serbien und dann speziell von der Arbeit in Semlin. Die Dias von der Kirche in Semlin waren für diejenigen, die die Kirche aus ihrer Jugend kannten, doch sehr anrührend.
Auch Kaffee und Kuchen wurde den Gästen zur Aufmunterung dazwischen geboten, denn das Wetter meinte es gut mit dem Hilfskomitee und ließ den ganzen Tag über die Sonne scheinen.
Die Resonanz dieses Tages, die von verschiedenen Seiten an das Hilfskomitee herangetragen wurde, war sehr erfreulich, denn auch Menschen, die nicht donauschwäbischer Abstammung sind und den Gottesdienst und die Rüstzeit besuchten, meinten, dass sie nun vieles erfahren hätten, was sie nicht gewusst haben und es nun besser verstehen könnten. Es kamen viele aufmunternde Worte, auf diesem Wege weiterzugehen. Mit Gottes Hilfe werden die Verantwortlichen des Hilfskomitees und ihre Helfer dies tun, so lange ihre Hilfe gefragt ist. Hildegard Gutekunst
Das Grußwort von Diakon Dragoslav Corkovic
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern, liebe Gäste,
im Namen der serbisch-orthodoxen Kirche in Baden-Württemberg möchte ich Ihnen herzliche Grüße überreichen und mich im Namen unserer Gemeinde und im Namen unseres Erzpriesters Slobodan Miljevic für die bisherige Zusammenarbeit bedanken.

Dragoslav Corkovic - Foto: privat
Die Geschicke und das Leben unserer beiden Völker ist über die Jahrhunderte unwiderruflich verflochten und verbunden. Auch wenn diese Zeit zu oft mit Leid, Schmerz und Vertreibung verbunden war, stelle ich eins fest: unsere Völker können nicht voneinander lassen! Zu Mitte des letzten Jahrhunderts lebten Tausende Donauschwaben in der Backa, im Srem, im Banat. Heute leben wiederum Tausende Serben in Baden-Württemberg. Wir lebten einst zusammen, und leben heut zusammen; wir lernten einst voneinander, und lernen heut voneinander. Hätten wir damals genauso gut und genauso viel miteinander kommuniziert und miteinander gelebt, so wie wir es heute tun, vielleicht wäre vieles anders gekommen. Es wäre vielleicht nicht zur leidvollen Vertreibung, ja zum Verlust Aller gekommen. Durch Vertreibung werden Alle zu Verlierern!
Ich bin mir sicher, Deutsche hätten mit ihrem Fleiß, ihrem Wissen, ihrer Erfahrung, zu einem größeren wirtschaftlichen und kulturellen Wachstum und Wohlstand aller Völker auf dem Gebiet des Balkans beigetragen. Unser Herr Jesus Christus lehrt uns, dass Ungerechtigkeit nie durch neue Ungerechtigkeit gerechtfertigt ist, ja gerechtfertigt sein darf! Durch unsere leidvolle Erfahrung sind wir verpflichtet, unsere zukünftigen Generationen das zu lehren, dass sie immer die richtigen Entscheidungen treffen und immer gerecht, aber auch gütig handeln - Für eine gemeinsame Zukunft, in einem vereinten Europa ! Als Völker, die seit der großen Völkerwanderung in der Geschichte zu oft nebeneinander, statt miteinander gewandert sind. Zu oft missverstanden, statt verstanden wurden - Dass es auch anders geht, zeigt sich in unserer heutigen Zeit, hier und jetzt!
Möge der liebe Herrgott uns Seinen Segen schenken und unsere Herzen mit Liebe, Güte und Trost erfüllen. Amen.
Grußwort von Hildegard Gutekunst
Hallelujah, lobet Gott, so stand es über dem Altar der Kirche, in der ich getauft wurde, in der auch meine Eltern getauft und konfirmiert wurden, in der sie geheiratet haben. In der großen Tiefebene der Batschka sieht man Kirchtürme sehr weit und als sie 1947 geschleift wurde, blieb ihre orthodoxe Bruderkirche stehen. Man sieht es ihr auch heute noch an, dass sie ihre evangelische Schwesterkirche vermisst, denn sie gehörten einfach zusammen. Wenn man sich dem Dorf von weitem näherte, sah man früher die beiden Kirchtürme und man wusste, wo man war. Wenn man nach vielen Jahren zum ersten Mal dort hinkommt, so ist dieser Anblick sehr schmerzlich.
Dass wir heute in der Marienkirche in Reutlingen zusammen mit der Gemeinde anlässlich unseres Jubiläums Gottesdienst feiern dürfen, ist Grund, zu loben und zu danken, war es doch auch ein Anliegen derer, die unser Hilfskomitee gegründet haben, wieder eine Heimat in einer Kirche zu haben und deshalb danken wir allen Kirchengemeinden, die unsere Menschen in ihrer Mitte aufgenommen haben. Wir denken an diejenigen, die unser Hilfskomitee gegründet und in Treue und Hingabe geführt haben. Wir grüßen die beiden noch lebenden Vorgänger im Amt, Senior Edgar Popp und Karl Ott, die auf Grund ihres Alters heute nicht dabei sein können. Wir grüßen die Kreuzfahrer, die eine Gruppe des Hilfskomitees sind und stellvertretend Dr. Eduard Befurt.
Wir grüßen unsere katholischen Brüder und Schwestern aus der alten Heimat hier in der neuen und auch unsere orthodoxen Brüder und Schwestern, die uns in der alten Heimat so freundlich aufgenommen haben und mit denen wir hier in der neuen Heimat in guter Nachbarschaft leben. Wir grüßen Sie alle, die Sie mit uns unser Jubiläum feiern und wünschen uns und Ihnen allen, dass das Gotteslob in unseren Herzen und Sinnen bleiben möge! Lobet Gott!
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